Ein Artikel von Ingrid Hofmann für die Silvesterbeilage der Nürnberger Nachrichten
Meine Großmutter war eine starke und resolute Frau, aufgeschlossen für Neues. Dennoch hat sie aber immer mal wieder gesagt, dass früher doch alles besser war. Das habe ich nicht verstanden, denn ich fand die Welt wunderbar. Welche Zeiten hatte meine Oma erlebt? Zwei Weltkriege, Geschwister, die im Krieg gefallen sind, Frauen, die den Bauernhof in der Fränkischen Schweiz allein bewirtschaften mussten, während die Männer im Krieg und später in Gefangenschaft waren. Die Wohnsituation war auch nicht komfortabel – nur Holzöfen, kein Kühlschrank, kein Fernseher, nur ein Volksempfänger-Radio, ok – einen schönen Kachelofen in der „guten Stube“, kein Auto, nur ein alter Traktor. Was soll daran schön gewesen sein?
Wie sah ich meine Welt in meiner Jugend und frühem Erwachsenenalter? Da war die erste bemannte Mondlandung 1969, die ich als Beginn der Eroberung des Weltraums mit Reisen zum Mond betrachtete. Ich fuhr einen selbst mit roten Mohnblumen bemalten blauen VW-Käfer, trug geschnürte Stiefeletten und zipfelige Flatterkleider, war ständig auf Demonstrationen und hörte Jimmy Hendrix, Janis Joplin und die Beatles. Junge Frauen wurden noch massiv benachteiligt, vor allem wenn sie Karriere machen wollten. Doch ich habe das nie als sonderlich schwere Belastung empfunden, sondern habe meistens mit Humor auf die manchmal wirklich skurrilen Erlebnisse geschaut. Ich habe immer freundlich, humorvoll und gelassen darauf reagiert, wenn mich jemand fragte oder mich heute noch fragt, wie ich es geschafft habe, ein Personaldienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt im technisch-gewerblichen Bereich aufzubauen und dieses Unternehmen international zu etablieren. Wahrscheinlich empfinde ich es deshalb heute nicht als Diskriminierung, wenn ich jemanden ehrlich interessiert frage, aus welchem Land er kommt. Hier ist für mich die Herkunft aus Syrien, Türkei, USA ebenso interessant wie Brandenburg oder Saarland.
Wie empfinde ich nun unsere heutige Welt?
Trotz aller aktuellen Krisen dürfen wir in Deutschland in einer Demokratie leben und mussten seit 80 Jahren keinen Krieg im eigenen Land erleben. Die Welt steht uns offen. Ich selbst durfte inzwischen 81 Länder privat und beruflich bereisen. Die Menschen sind in Deutschland durch eine Grundsicherung abgesichert. Diesen Begriff würde ich persönlich deutlich passender finden als „Bürgergeld“.
Nach dem Fall der Mauer 1989, einer herausragenden Leistung der ostdeutschen Demokratiebewegung, habe ich mich stark engagiert und über 20 Niederlassungen in Mittel- und Ostdeutschland gegründet.Durch viele Gespräche und Zusammenarbeit mit den ehemaligen Bürgern der DDR habe ich erfahren, was es bedeutet, seine Meinung nicht frei äußern zu können, nicht frei reisen zu dürfen. Diese massiven Beschränkungen der damaligen DDR-Diktatur werden wohl gerade von denjenigen, die sich in „die gute alte Zeit“ zurückwünschen, ausgeblendet.
Respekt und Wertschätzung anderen Menschen gegenüber sind für mich selbstverständlich. Andere Meinungen sollte man mit Argumenten entgegentreten. Hier sind auch die serösen Medien gefordert, Sachverhalte tendenzfrei darzustellen und mögliche Auswirkungen im Positiven wie im Negativen darzustellen. Wir sollte Kinder und Jugendliche ganz früh lehren, wie sie sich eine unbeeinflusste Meinung bilden können.
Ein wenig Sorge macht mir die mangelnde Wertschätzung, die uns Unternehmerinnen und Unternehmern von der aktuellen Politik entgegengebracht wird. Wir werden nicht ausreichend in politische Entscheidungen mit einbezogen und kämpfen mit einer überbordenden und nicht mehr zu finanzierenden Bürokratie.
Was mich aber sehr freut, ist, dass die Menschen immer noch sehr hohes Vertrauen in ihre Arbeitgeber setzen, vor allem wenn es sich um Familienunternehmen handelt. Wir Unternehmer/innen können und wollen uns nicht davonschleichen, wenn es mal schwierig wird. Wir wollen gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herausfordernde Zeiten wie die Finanzkrise, die Pandemie, Lieferkettenabbrüche, die Energiekrise und aktuell die u.a. durch politische Handlungsunfähigkeit erzeugte wirtschaftliche Rezession meistern. Dazu brauchen wir engagierte und leistungsorientierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Das Thema des vom Menschen verursachten Klimawandels muss sicherlich im Zentrum unseres Handelns für die Zukunft stehen. Das Expertenwissen sollte hier weltweit viel stärkere Beachtung finden. Ein Masterplan würde uns vielleicht helfen, die notwendigen Veränderungen umzusetzen, ohne der Hektik einzelner Parteiansichten ausgeliefert zu sein.
Ich finde, es müsste auch eine handlungsfähige Weltethikkommission geben, um neue Entwicklungen, wie beispielsweise KI, immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Denn häufig bringen neue Entwicklungen viel Gutes, bergen aber auch viele Risiken, die von niemanden vorhergesagt werden können.
Ich behaupte: Trotz all dieser Probleme leben wir dennoch in der besten Welt, die wir je hatten! Oder meine provokante Frage an Sie: In welchem Jahr, Jahrzehnt, Jahrhundert, Jahrtausend hätten Sie denn gerne gelebt?